Eine Ausstellung mit künstlerischen Positionen von Polina Tereshina (Seattle, USA) und Adam Gawel (Karlsruhe).
Kuratorisches Konzept und Ausstellungsdesig:
Lisa Kuon &
Norina Quinte
Poster: Lena Rossbach
Konstrukte
Konstrukte sind Sachverhalte, die nicht empirisch erkennbar sind. Sie sind. Sind sie? Oder werden sie erst durch den Betrachter selbst konstruiert.
Das Ausstellungskonzept von Lisa Kuon und Norina Quinte spielt mit der Partizipation des Besuchers, der sich durch das Betreten des Ausstellungsraumes selbst in ein Konstrukt begibt. Durch fehlende "Anleitung" sieht er sich gezwungen, auf seinen eigenen, subjektiven Blick zu vertrauen.
Vielleicht kommt der Gedanke auf, dass es diese eine Wahrheit, diesen einen richtigen Weg, Werke und Welt so oder so zu verstehen, nicht gibt. Indem wir alle versuchen, dass sich uns Dinge, Werke und Sachverhalte (die letzlich exemplarisch für die beiden großen Mysterien bzw. Konstrukte Welt und Leben stehen) erschließen, tun wir nichts anderes, als zu konstruieren.
Wie im radikalen Konstruktivismus auch, wird in dieser Ausstellungssituation die menschliche Fähigkeit negiert, dass Subjekte im Stande sind, eine objektive Realität zu erkennen - überhaupt wird angezweifelt, dass es so etwas wie eine objektive Realität gibt - stattdessen sollen diverse Auffassungen von Wirklichkeit zur Geltung kommen dürfen.
Der Beobachter genießt Autonomie und befindet sich doch als einer von vielen Akteuren - neben den Maschinen von Gawel, den Aussagen von Tereshinas Werken oder den Zitaten von Philosophen sowie dem in Form von Kreidestiften aufgetragenen Dialog zwischen den Kuratorinnen über Konstruktivismus, in einem Raum, der nie absolut festzustellen ist. Schon allein deshalb nicht, weil die Zitate und Gedanken auf dem Fußboden mit der Zeit durch die Besucher selbst verblassen und verschwinden. Als Akteure im Raum tragen sie dazu bei, ob bewusst oder unbewusst, dass etwas Neues, vielleicht aber auch nur etwas Anderes, entsteht.
Text: Lisa Kuon
KÜNSTLER*INNEN INFOS
Polina Tereshina
Die Künstlerin Polina Tereshina wurde in Russland geboren und lebt in Seattle in den USA. Das Jahr 2014 markiert den Zeitpunkt, zu dem sie jeweils die Hälfte ihres Lebens in beiden Ländern verbracht hat. Sie sieht sich selbst als Russin und Amerikanerin – und zugleich als keines von beidem. Dieses Gefühl von Staatenlosigkeit spiegelt sich in ihrem Werk wider: ihre Charaktere bewegen sich und interagieren häufig innerhalb eines fantastischen geometrischen Raumes, der detailliert ist und dennoch vage bleibt. Tereshina erläutert: “Es ist mir wichtig, dass meine Bilder in bestimmten Bereichen ein Gefühl von klarer räumlicher Verortung und Tiefe vermitteln, während andere Bereiche völlig eben und entgrenzt erscheinen.”
Von einer haarbedeckten Silhouette bis hin zu einem Fels auf Füssen – Tereshinas Figuren sind verspielt und irritierend zugleich. Beim Betrachter rufen sie ein Gefühl von überraschender Vertrautheit hervor. Vieles von Tereshinas Werk spiegelt verschiedene Aspekte des Lebens wider: Kreatives Schaffen, Fehlbarkeit, Vergänglichkeit; unvollständige Sätze, Missverständnisse und verlorenes Wissen. Das bizarre Erscheinungsbild ihrer Figuren reflektiert den Aberwitz menschlichen Daseins. Tereshina erklärt: „Ich finde Inspiration indem ich nach innen und nach außen blicke. Durch diese Beobachtungen habe ich eine Reihe von Figuren entwickelt, die mir helfen, Geschichten zu erzählen. Ich bilde diese Figuren außerhalb ihrer vertrauten Umgebung ab, in einem einfachen, flachen Raum.“
Dieser Grad an Abstraktion lädt den Betrachter dazu ein, die Bilder vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen zu betrachten und schafft Raum für unzählige Interpretationen. Die Künstlerin beschreibt ihre Arbeiten als „als Licht, das verhindert, dass ich mich in der Dunkelheit des Waldes verirre.“ Tereshina hat im Laufe ihrer Karriere mit vielen Materialien gearbeitet und verwendet nun hauptsächlich Aquarelle auf hochwertigen Papier.
„Papier lässt die Subjekte bescheiden und hell erscheinen. Es erlaubt mir, gleichmäßige, gedämpfte Farben zu erschaffen und Collagen zu verwenden, um das Auge des Betrachters durch verschiedene Ebenen des Bildes zu führen. Durch das Aufbringen von Pergament verleihe ich einigen Bildern zudem eine transzendente Atmosphäre.“
Tereshina ist stark in Seattles aktiver Kunstszene verankert und hat ihre Arbeiten dort mehrfach ausgestellt.
Adam Gawel
Wie kleine tollpatschige Lebewesen bewegen sich die Maschinen, die Adam Gawel zusammenbaut. Es sind Maschinen ohne Zweck, die sich nur für die Schönheit und Absurdität ihrer eigenen unendlichen Wiederholung bewegen.
Gawel verwendet klassische Industriematerialien wie Aluminium, Kupfer, Stahl oder Kunststoff und testet sie auf Ihre Eigenschaften. Wie kann man einen Verbund aus Materialien mit einem Motor so antreiben, dass er lebendig wird? Welche Spannungen hält das Material aus - nach wie vielen tänzerischen Bewegungen zerstört es sich selbst? Es ist eine Folge aus Spannungsaufbau und erlösender Entspannung - ein Spiel zwischen Auferstehung und Zerstörung. Diesen existenzialistischen Fragen geht Gawel mit humorvoller Leichtigkeit nach.
Kleine metallische „Krallen“ an „Fingern“ aus Kabelbindern greifen einen Kupferstab, rollen ihn zu sich, schnellen über den Stab hinten nach oben und der Kreislauf beginnt von Neuem. Voller Faszination kann man diesem Lebewesen aus Metall und Plastik bei seinem Spiel zusehen. Ein einfacher kleiner Motor treibt eine Drehbewegung an, die durch die Kombination unterschiedlicher Materialien und ihrer Spannungen zu einem amüsanten und nahezu organischen Schauspiel wird.
Text: Seraphine Meya